Zwei meiner Bekannten haben zusammen ein Sachbuch geschrieben. Das Buch zeigt, welche positiven Effekte es haben kann, wenn sich unterschiedliche Disziplinen zusammentun, in diesem Fall der Physiotherapeut Georg Grasser und der Psychiater Dr. Mario Maleschitz. Das Buch öffnet Therapeuten und Ärzten neue Möglichkeiten in der Behandlung ihrer Patienten und schenkt Menschen, die von Schmerz und Ängsten geplagt werden, neue Hoffnung.
Dabei sprechen wir nicht von einigen wenigen Menschen, sondern von Millionen. In Deutschland sind laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (dgppn) jedes Jahr rund 27,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen, Angststörungen stehen mit 15,4 Prozent der Erkrankungen an der Spitze. Viele dieser Patienten werden gleichzeitig von Schmerzen geplagt. Andererseits leiden viele der Millionen von Menschen mit chronischen Schmerzen an psychiatrischen Erkrankungen.
Schmerz und Angst fressen Seele
Die Autoren verbindet ihre Arbeit als zertifizierte Therapeuten nach dem Fasziendistorsionsmodell (FDM) von Stepen Typaldos. Sie haben sich zusammengetan und ihre Erfahrungen mit den Patienten, die sie nach FDM behandeln, festgehalten und diskutiert. Herausgekommen sind faszinierende Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Körper und Geist, zwischen Angst und Schmerz, zwischen körperlichem Schmerz und seelischem Leid. Die Autoren haben erkannt, dass sie den Zustand psychiatrischer Patienten verbessern können, wenn sie körperliche Sensationen behandeln. Ein Beispiel: Wer Angst hat, spricht oft von einem ständigen Druck auf der Brust oder einem Kloß im Hals. Sobald diese Faszienverformungen erkannt und entsprechend manualtherapeutisch gelöst werden, spürt der Patient auf der körperlichen Ebene Erleichterung. Das wiederum hat Einfluss auf sein seelisches Wohlbefinden.
Darüber hinaus entwerfen die Autoren mit der Dynamisch Zirkulären Interaktion (DZI) ein Modell, das es Therapeuten erlaubt, über einen geleiteten Prozess die Kommunikation und Interaktion mit ihren Patienten entscheidend zu verbessern und so Kollegen anderer Fachbereiche im Rahmen einer ganzheitlichen Patientenbetreuung zu unterstützen. Die Beschwerden der Patienten werden sowohl manualtherapeutisch als auch psychotherapeutisch behandelt. Gerade bei Patienten, die sich der seelischen Ursachen ihrer Schmerzen nicht bewusst sind oder diese negieren, kann hier ein wichtiger Schritt hin zu einer vertrauensvollen Therapeuten-Patienten-Beziehung getan und gleichzeitig die Akzeptanz psychotherapeutischer Maßnahmen gefördert werden.
Beide Praktiker, bleiben Grasser und Maleschitz nicht in der Theorie stecken, sondern führen den Leser mittels zahlreicher Beispiele aus ihren Praxen direkt in die Patienten-Therapeuten-Interaktion hinein. Patienten und Therapeuten „erzählen“ gemeinsam individuelle Geschichten über Schmerz, Angst, Burnout und den Weg zu einem besseren, glücklicheren Leben. Das macht das Buch nicht nur für Therapeuten und Ärzte lesenswert, sondern auch für alle, die von Schmerzen, psychosomatischen Diagnosen und Ängsten gequält werden und verzweifelt nach Linderung ihrer Beschwerden suchen.
SCHMERZ, ANGST, PANIK und BURNOUT VERSTEHEN. Ungeahnte Möglichkeiten in der Körpertherapie, Georg Grasser und Dr. Mario Maletschitz, fdm unlimited, 2020, 49 Euro.
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